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Texte von:
1 Andr
é Lindhorst

2 Regina Böker
3 Martin Damus
4 Detlef Stein
5 Sabine Behrens
6 Regina Böker
7 Marion Tischler

 

     
 

Text 1


André Lindhorst, Leiter der Kunsthalle Osnabrück

„In Marion Tischlers Arbeiten gibt es keine klare Ressorttrennung zwischen Fotografie, Grafik und Malerei. (...) Am ehesten kommt man der Arbeits-
weise der Künstlerin wohl mit dem Begriff des „Crossover“ nahe.“

aus dem Katalog zur Ausstellung „Querschnitt“, Enschede 2002


„Die Bilder entsprechen einer „hochtourigen" Wahrnehmung der Welt -
sie wahren ihr Rätsel und ihre Lesbarkeit ist niemals gesichert. Mit der spezifischen künstlerischen Vorgehensweise von Marion Tischler tritt eine moderne Seherfahrung zutage. Die Wahrnehmung der Strukturen und Ereignisse der globalen, modernen, rasanten Welt gelingt uns nur noch bruchstückhaft. Zeit zur Reflexion bleibt kaum mehr."
aus dem Katalog zur Ausstellung „arte regionale 3 “, Osnabrück 2003



 
 
Text 2


Regina Böker, Osnabrück

Auf den ersten Blick dominieren ungegenständliche Bilder der Künstlerin, fallen kräftige und leuchtende Farben und glänzende Oberflächen ins Auge.
Auf den zweiten Blick meint man außerdem auch noch irgendetwas Gegenständliches zu erkennen, ohne sich allerdings ganz sicher sein zu können, um was es sich jeweils dort handelt.
Unschwer kann man sehen, dass es sich um fotografisches Material handelt bzw. um Abbildungen aus Zeitungen und Illustrierten, aber nicht immer kann man wirklich erkennen, was es ist. Meistens muß sich der Betrachter damit begnügen, zu erahnen, was in den Bildern von Marion Tischler an gegenständlichen Elementen enthalten ist. Wenn er sich überhaupt dazu veranlasst fühlt. Denn die Bilder geben durch die kräftige vielschichtige und spontane Malerei einen harmonischen Gesamteindruck, weisen nicht ausdrücklich auf die ihnen innewohnende Divergenz hin. Ganz offensichtlich wird der Betrachter nicht mit der Nase auf irgendeine Botschaft gestossen. (...) Ihre Bilder stehen für nicht mehr als für sich selbst, d.h. sie sind Produkte einer bestimmten Arbeitsweise (...).
Einführung zur Ausstellung Marion Tischler Stadtgalerie, Osnabrück, 2000


 
 
Text 3


Prof. Dr. Martin Damus, Osnabrück

Für Marion Tischler gibt es keinen Anfang bei Null. Sie geht nicht von einem weißen Blatt Papier oder von der leeren Leinwand aus. Etwas ist immer schon da. Die industrielle Gegenstands- und ausufernde Bilderwelt sind immer präsent, stehen ständig vor Augen. Auf ihren Abbildern in Form von Fotokopien aus Zeitschriften, der Werbung und eigenen Fotografien entfaltet sich die Malerei von Marion Tischler. (...)

Marion Tischler geht von dem aus, was sie umgibt, von der städtischen Um- und Medienwelt, von der Bilderflut, der alle Menschen ausgesetzt sind. Sie kopiert redaktionelle Abbildungen und Werbung aus Zeitschriften, vergrößert dabei oder macht Ausschnitte, wobei das gegenständlich Dargestellte und seine Bedeutung sie sehr viel weniger interessieren als die formalen Strukturen, Konstellationen und Formen. Für ihre Bilder wählt sie wiederum nach formalen Kriterien Vorlagen aus, die sie als Ganzes oder kombiniert mit anderen auf die Vorderfläche und um die Randflächen von quadratischen Holzkästen klebt. Damit hat sie sich einen Malgrund aus Elementen ihrer Umwelt geschaffen, auf den sie reagieren, mit dem sie sich auseinander-
setzen kann.
Bevor sie mit dem eigentlichen Malen, für die sie bevorzugt Lackfarbe verwendet, beginnt, färbt sie die auf die Kästen aufgezogenen Fotokopien mit einer Beize ein, wobei die grafische Struktur sichtbar bleibt und breitet die nun verschieden farbigen Kästen um sich herum aus. Mit Farben und Formen reagiert sie auf die Formen, linearen Strukturen usw. der Fotokopien, setzt Gegengewichte, löscht und übermalt, fügt ganz Neues hinzu oder betont vorgegebene Formelemente. Sie bleibt, auch weil die Lackfarbe sehr langsam trocknet, nie lange bei einem Bild, sondern arbeitet parallel an den um sie herum ausgebreiteten Arbeiten. In einem spielerischen Gestaltungsprozeß entstehen immer neue Farb-Form-
Konfigurationen. Es gibt kein vorgesehenes Ziel, keine Vorstellung von einem fertigen Bild. Die Bilder entwickeln sich, das Malen ist ein offener Prozeß. Mit dem Übermalen wird Vorgegebenes überlagert, verborgen, entsteht Neues aus bzw. auf einer Vorlage. Eins ergibt sich aus dem anderen. Nichts kann vorherbestimmt werden. Denn mit dem Auftragen der Farbe, mit farbigen Formbildungen werden immer neue Farb-Form-Assoziationen ausgelöst.

Auf diese Weise entstehen Bilder, die oft kaum noch etwas und manchmal gar nichts von dem erahnen lassen, was ihnen als Grundlage diente. Und doch ist die unterste Schicht des Bildes, die Fotokopie, die Voraussetzung für das fertige Bild. (...)

Marion Tischler (...) reagiert mit ihren Bildern auf die alles durchdringende Industrie-zivilisation, auf die Waren-, Werbe- und Medienwelt. Sie nimmt diese weder so hin wie sie ist, noch negiert sie diese. Vielmehr bezieht sie die unüberschaubar vielfältige Gegenstandswelt und Bilderflut in ihre Arbeit ein und entwickelt ausgehend von diesen im Prozeß des Malens etwas Neues und Eigenes. Die vorgegebenen, ursprünglich aufdringlichen Bilder sind in ihrer Malerei aufgehoben in des Wortes doppelter Bedeutung.

(...) in einem Prozeß der Transformation, beginnend mit der Schwarz-Weiß-Kopie, dem Vergrößern und Montieren verwandelt sie die Bilderwelt der Industriezivilisation in reine Malerei.

Marion Tischler (...) stellt sich die Frage, was heute Malerei, was heute ein Bild sein kann. Die hochglänzende Lackfarbe, die mehr in der Industrie als in der Kunst zur Anwendung kommt, gebraucht sie auch, weil sie eine Tradition nicht fraglos fortsetzen will. Sie malt ihre Bilder nicht auf Leinwand, Holz oder andere Platten, die - üblicherweise gerahmt - flach an der Wand hängen. Sie baut Kästen (...). Diese Bildkörper, um deren Seitenflächen die Malerei sich herumzieht, ragen in den Raum hinein. (...) Ihre auf Holzplatten gemalten Bilder befestig sie mit Abstand an der Wand, läßt sie vor ihr schweben. Marion Tischler hat auch „Pocket-Bilder“ gemalt, Bilder, so groß und so handlich wie Kreditkarten. Auch hier stellt sie sich die Frage, was heute ein Bild sein kann.

Mit ihrer dekorativen, oft auch ornamental wirkenden Lackmalerei hat Marion Tischler die Bilderwelt der Industriezivilisation transformiert, sich anverwandelt. Sie hebt diese Bilderwelt in ihren Bildern, in ihrer Malerei auf, entwickelt für sie ein neues Gesicht. Eben weil es ihr um diesen Transformationsprozeß geht und nicht um abstrakte Negation, ist ihr das, was darunter ist so wichtig wie das, was zu sehen ist. Es gelingt ihr mit der Bilderflut, der sich andere ausgeliefert fühlen, zu spielen und transformierend und schrittweise verdeckend und verbergend in ihre Bilder einzuschließen. Ihre Malerei und das ist Marion Tischler wichtig, verbirgt immer etwas, gibt, was sie in sich aufgenommen hat, nicht wieder her und vermittelt gleichzeitig eine Ahnung von dem, was, zumindest eine Ahnung davon, daß etwas darunter ist.
aus dem Katalog zur Ausstellung Marion Tischler, Stadtgalerie Osnabrück, 2000


 
 
Text 4


Detlef Stein, Bremen


Wichtig ist, daß die Künstlerin nicht ein vorgefaßtes Konzept realisiert, sondern sich durch die jeweils im Arbeitsprozeß entstehenden Übermalungs-
zustände zu ihren weiteren Schritten anregen läßt. Das Resultat ist nicht vorhersehbar. Wenn am Ende eines Arbeitsprozesses nichts mehr vom kopierten Untergrund erkennbar ist, weil jeder Bildteil übermalt wurde, dann wird gerade an einem solchen Beispiel deutlich, daß Marion Tischlers Malerei nicht inhaltlich den ursprünglichen verwendeten Medienbildern verschrieben ist, sondern daß diese lediglich das auslösende Moment für Malerei sind, die häufig in der Gegenstandslosigkeit endet. Jedes Bild trägt somit einen Entwicklungsprozeß in sich, in welchem gleichsam die Bild-Abbild-
Problematik schrittweise überwunden wurde, um schließlich zu einer reinen Malerei zu gelangen.
Einführung zur Ausstellung „Ich, Transistor“, Kunstverein Bremen Nord e.V., 2002


 


Text 5


Dr. Sabine Behrens, Kiel und Flensburg

Ihre, die ursprüngliche Gegenständlichkeit überspielende ungegenständliche Schichtenmalerei (...) erhält durch die Holzkästen als Bildträger eine in den realen Raum ausgreifende Plastizität; Bildraum und realer Raum durchdringen sich, werden haptisch wirksam.
Einführung zur Ausstellung Vereins-und Westbank, Flensburg, 2001


 
 
Text 6

Regina Böker, Osnabrück

Die Bilder von Marion Tischler entwickeln ihre inhaltliche Aussage nicht aus einem bestimmten Motiv sondern aus dem Arbeitsprozess selbst und sind damit Ausdruck der Verwandlung, Ausdruck für Metamorphose. Sie sind ein Zeichen für Werden und Vergehen. Für die Arbeit von Marion Tischler ist auch die Tätigkeit des Verdeckens einer ablesbaren Botschaft von entscheidender Wichtigkeit. Dadurch, daß Formen verdeckt werden, Betonung erfahren oder in neue Formgebung wieder auftauchen, werden Gegenstände wie Parfumflasche oder Turnschuh ihrer einseitigen Funktion enthoben und in reine Malerei verwandelt. Nicht das Was sondern das Wie ist für Marion Tischler in ihrer Arbeit entscheidend.
Der Ursprung der Verwandlung ist nicht mehr direkt wahrnehmbar, wie bei einer Pflanze auch das Samenkorn nicht mehr zu sehen ist. Trotzdem tragen die Bilder diesen vitalen organischen Charakter und geben dem, der sich in sie hinein sieht viele Geheimnisse preis.

Einführung zur Ausstellung „Weibs-bilder“, Vereins-und Westbank, Osnabrück 1999


 
 
Text 7


Mein Statement

Am Anfang eines jeden Bildes steht schon ein Bild. Das Prinzip des „Found-Footage“ – das Verwenden bereits vorhandenen Bildmaterials – setzt bei den medialen Erfahrungen und Erinnerungen an.

Dass Medien maßgeblich an der Produktion von Wirklichkeit beteiligt sind, ist nicht erst seit der Etablierung der so genannten neuen Medien evident.
Neu hingegen erscheint vielmehr, dass Medien das Stadium der Abbildung und Simulation verlassen und selbst zum Vorbild für Wirklichkeiten werden.

Meine Malerei reflektiert eine techno-transformierte Welt, die von abstrakten Codes und Effekten der Medien dominiert wird. Die global verfügbare Bilderflut der Mediengesellschaft provoziert Neukombinationen vorhandenen Materials, die neue Lesarten und Zusammenhänge hervorbringt.

Meine Arbeit ist reaktiv und ich reagiere gerne.

Marion Tischler